Verantwortung für Deutschland - auch für Gewaltbetroffene?: Täter*innenarbeit sichern mit dem Koalitionsvertrag 2025
“Wir ergreifen weitere Schutzmaßnahmen für [gewalt-]betroffene Frauen: Die Präventions-, Aufklärungs- und Täterarbeit verstärken wir […]. Wir […] schaffen bundeseinheitliche Rechtsgrundlagen im Gewaltschutzgesetzt für […] verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Täter.”
So steht es im Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ des neuen 21. Bundestages vom 9. April 2025. Neue Ideen sind das nicht – denn mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention hat sich Deutschland bereits 2017 verpflichtet, wirksame Maßnahmen auch gegenüber gewaltausübenden Personen zu ergreifen. Die nun angekündigten Maßnahmen sind deshalb kein politisches Extra, sondern rechtlich geboten. Sie hätten längst konsequent umgesetzt werden müssen.
Trotzdem ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass der politische Wille, Schutzmaßnahmen zu stärken und dabei auch Täter*innenarbeit explizit einzubeziehen, einen Platz im Koalitionsvertrag gefunden hat. Ergänzend sei an das im Februar 2025 in Kraft getretene Gewalthilfegesetz (GewHG) erinnert, das Täter*innenarbeit klar als Bestandteil wirksamer Prävention benennt (§1 Abs. 2 GewHG) – ein bedeutender Meilenstein in der Umsetzung der Istanbul-Konvention.
Während auf Bundesebene also wichtige Weichen in Richtung Prävention gestellt wurden, droht auf Landesebene in Berlin ein gefährlicher Rückschritt: Projekte der Täter*innenarbeit stehen bereits jetzt unter massivem Druck und haben sich von den drastischen Kürzungen im aktuellen Haushaltsjahr noch nicht erholt. Im Bereich der Straffälligenhilfe sind neun Projekte komplett gestrichen worden. Trotzdem sind für das Jahr 2026 weitere Kürzungen angekündigt. So darf es nicht weitergehen.
Täter*innenarbeit ist kein „nice to have“, sondern ein zentraler Bestandteil funktionierenden Opferschutzes. Wer Täter*innenarbeit kürzt, gefährdet den Schutz der Betroffenen.
Berlin steht in der Verantwortung, die Ziele des Koalitionsvertrags auf Landesebene umzusetzen. Die angekündigte Stärkung der Täter*innenarbeit darf nicht nur auf dem Papier stehenbleiben – sie muss sich auch in der konkreten Praxis und Mittelvergabe widerspiegeln. Das Gewalthilfegesetz verpflichtet zur Umsetzung bis 2032. Diese Jahre dürfen nicht mit Abbau, Unsicherheit und Kürzungen beginnen. Der Zeitpunkt, bestehende Strukturen zu stabilisieren und Präventionsarbeit auszubauen, ist jetzt.
Wir werden die Umsetzung der im Koalitionsvertrag formulierten Maßnahmen aufmerksam begleiten und genau beobachten, ob es bei Ankündigungen bleibt, oder ob Täter*innenarbeit endlich als das behandelt wird, was sie ist: ein unverzichtbarer Teil wirksamer Gewaltprävention.