Neues Berliner Polizeigesetz stärkt Opferschutz – ASOG-Novelle schafft bessere Bedingungen für Täterarbeit
Noch vor der Sommerpause am 10. Juli will die Berliner Regierungskoalition ihre überarbeitete Version des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) zur Abstimmung ins Abgeordnetenhaus einbringen. Der umfangreiche Entwurf sieht weitreichende Änderungen in den Befugnissen der Polizei zur Gefahrenabwehr, Kriminalitätsbekämpfung und Prävention vor.
Eine der wohl meistdiskutierten Maßnahmen ist die Fußfessel nach dem sog. Spanischen Modell. Das Spanische Modell ist im Original ein breites Maßnahmenpaket, welches viele weitere Bausteine enthält, die Hand und Hand gehen. Im aktuellen Diskurs werden weniger kontroverse und dennoch zentrale Verbesserungen im Opferschutz häufig übersehen. So wird beispielsweise mit dem §45c für multiinstitutionelle Fallkonferenzen in Hochrisikofällen Rechtssicherheit geschaffen.
Eine der Neuerungen wird die Umsetzung des proaktiven Ansatzes in der Täterarbeit vorantreiben: Nach §45 soll es der Polizei künftig ermöglicht werden, in Fällen häuslicher Gewalt Kontaktdaten gewaltausübender Personen ohne deren Einwilligung an sog. nicht-öffentliche Stellen – das schließt Projekte wie die Servicestelle Wegweiser ein – weiterzugeben. Dies ist ein lange überfälliger Schritt, um Gewaltprävention wirksam und frühzeitig umzusetzen. Bisher sind Dienstkräfte der Polizei in oft hoch eskalierten und emotional belasteten Situationen im Einsatz auf die Zustimmung und Mitwirkung der gewaltausübenden Person angewiesen, damit die Servicestelle Wegweiser ihre Kontaktinformationen erhält. Im aktuell laufenden Pilotprojekt in der Direktion 1 zeigt sich, dass dies oft nicht umsetzbar ist. Mit der Schaffung der neuen Gesetzesgrundlage werden diese Hürden aus dem Weg geräumt. Es handelt sich um einen Meilenstein für den Opferschutz in Berlin.
So kann die Servicestelle Wegweiser gewaltausübende Personen frühzeitig erreichen, um ihnen passgenaue Beratungsangebote anzubieten und die Gewalt zu unterbrechen – frühzeitig, niedrigschwellig und unabhängig vom polizeilichen Ermittlungsverfahren. Denn effektive Täterarbeit schützt Betroffene, insbesondere Frauen und Kinder, nachhaltig. Prävention bedeutet nicht nur, auf vergangene Taten zu reagieren, sondern Wiederholungstaten zu verhindern. Genau hier setzt der proaktive Ansatz an.
Die bundesweite Umsetzung des proaktiven Vorgehens in der Täterarbeit wurde erst kürzlich in einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichen Bedarfsanalyse empfohlen. Berlin ist nicht das erste Bundesland, das eine Rechtsgrundlage für den proaktiven Ansatz schafft, kann jedoch, aufbauend auf unseren vorhandenen Strukturen in Kooperation mit Polizei und Täterarbeitseinrichtungen, eines der ersten sein, welches diese Neuregelung praxiswirksam umsetzt.
Umso zentraler ist es, dass Angebote wie die Servicestelle Wegweiser nicht einer weiteren Kürzungswelle im Berliner Landeshaushalt zum Opfer fallen. Die Bedarfsanalyse des BMFSFJS und auch der GREVIO-Report zur Umsetzung der Istanbul Konvention empfehlen eine institutionalisierte, auskömmliche Finanzierung von Täterarbeitseinrichtungen. Ansonsten droht der fatale Effekt, dass die Polizei bald zwar die rechtliche Möglichkeit zur Datenweitergabe hat, aber keine Kooperationsstruktur mehr, die mit diesen Daten arbeitet.
Täterarbeit ist kein Nebenschauplatz, sondern ein zentrales Element nachhaltigen Opferschutzes. Um Gewalt zu verhindern, muss dort ansetzen werden, wo sie entsteht – bei den Personen, die sie ausüben. Dass der Gesetzgeber diesen Zusammenhang anerkennt, ist ein wichtiger Schritt. Nun muss sichergestellt werden, dass die Strukturen, die diese Arbeit leisten, nicht gleichzeitig weggespart werden.